context YELLOWS empfiehlt das Buch: „Rassismus und Altenpflege in Ostdeutschland: Zum »Unbehagen« in der beruflichen Zusammenarbeit mit Migrant*innen“ . Monique Ritter arbeitete als Sozialarbeiterin in Dresden, wo sie sowohl ausländische Pflegekräfte als auch zu Pflegende betreute. Aktuell ist sie Vertretungsprofessorin für Gender, Diversität und soziale Ungleichheit im Studiengang Soziale Arbeit an der Hochschule Zittau/Görlitz.
Mit der Einbindung von Pflegekräften aus dem Ausland wird die Arbeit in der Pflege- und Gesundheitsbranche immer diverser. Für eine gelungene Anwerbung spielen daher soziale, kulturelle und betriebliche Faktoren eine große Rolle. Dass das nicht immer so gut klappt, zeigt die Autorin mit eindrücklichen O-Tönen aus ihrer Feldstudie aus dem Bereich Altenpflege in Dresden. Die Schülerin Yasmin (20 Jahre) z.B. wurde während ihrer Ausbildung zur Altenpflegerin immer wieder auf ihr Kopftuch angesprochen:
„[D]as war für mich am Anfang richtig schlimm, weil die [Mitarbeiter*innen im Pflegedienst] haben mir die ganze Zeit nur Fragen gestellt, warum ich Kopftuch trage, wo ich herkomme oder warum ich Muslima bin und die ganzen Sachen halt. Aber irgendwann hat es nicht aufgehört, es wurde immer schlimmer.“ (S. 11).
Über das Erscheinungsbild können also Vorurteile zutage treten. Abilio (48 Jahre), der seit 1995 in Dresden lebt und als Schwarzer Mensch in der Altenpflege arbeitet, berichtet: „[D]u, ich komme dort im Spätdienst [an], das war Dezember. Klingel ich da [bei einer älteren zu Pflegenden an der Haustür]. »Ja, hier ist Pfleger [Abilio].« Sie macht die Tür auf: »Telefon, Hiiiilfe, Hiiiilfe, hallo, hallo, Polizei, bitte, bitte kommen Sie!« – »Nein, ich bin der Pfleger.« – »Nein, gehen Sie raus! Mich nicht anfassen.« Ich hab sie dann versucht zu beruhigen. Ich hab gezittert dort an dem Tag, ich hab gezittert.“, (S. 11-12).
Diese Ausschnitte zeigen, wie belastend rassistischen Erfahrungen für Pflegende mit Migrationshintergrund sein können. Aus ihren Gesprächen mit Pflegeeinrichtungen und zu Pflegenden zieht Ritter, dass »Ich bin eigentlich aufgeschlossen, aber …« die vermeintlich offene und zugleich vorurteilsbehaftete Haltung gegenüber migrantischen Pfleger*innen betont. Das wirkt umso schärfer, je enger die Erfahrungen der Arbeitsmigrant*innen mit den Lebenserfahrungen der Menschen aus der DDR und Nach-Wendezeit verknüpft werden. Eine ostdeutsche Altenpflegekraft (58 Jahre) berichtet über eigene Migrationserfahrungen über die deutsch-deutsche Grenze hinaus:
„A: […] 92 war ich ein halbes Jahr dort [in einer Stadt im Westen] arbeiten […] mit sieben weiteren Kollegen [aus dem ostdeutschen Betrieb] […]. Wir waren von oben bis unten neu eingekleidet und sind […] in die Werkshalle einmarschiert, das waren 120 Leute [dort]. Es waren davon […] ungefähr 60 aus Frankreich, ja? Und 60 waren Deutsche. Und jetzt rate mal, mit wem wir uns dort am besten verstanden haben.
I: Mit den Franzosen.
A: Genau. Und weißt du warum? Weil die keine Vorurteile hatten gegenüber uns, weil die gesehen haben, dass wir nach 5 Tagen die Maschinen alleine bedient haben […], aber ich sage dir, Monique, den ersten Tag, als wir reinkamen in diese Halle, die Wessis haben uns angeguckt wie in so einem Bimbo-Käfig: »Oah, jetzt kommen sie, die Ossis«.“, (S. 126).
Das komplexe Zusammenspiel zwischen den heutigen Pflegekräften mit Migrationshintergrund sowie den Ostdeutschen in der Nachwendezeit, und welche Rolle Rassismus darin spielt, betrachtet die Autorin in ihrer Analyse eingehend. Folglich empfehlen wir das Buch insbesondere für Menschen aus der Praxis. Wer sich mit den theoretischen Hintergründen um Rassismus und Diskriminierung auseinandersetzen möchte, ist mit dieser Schrift ebenfalls gut beraten. Das Buch gibt es zu Kaufen oder als Open Acces PDF zum Download.
Leider sind in dieser Lektüre die Lösungsansätze noch nicht ausgereift. Gerne möchten wir Ihnen an dieser Stelle unseren Fachratgeber „Betriebliche, kulturelle und soziale Integration ausländischer Pflegekräfte“ empfehlen. Wir bei context YELLOWS sind Expert*innen für interkulturelles Arbeiten und sprechen regemäßig auf Fachtagungen über die langfristige Bindung von Mitarbeitenden durch kultursensible Führung. Für eine eingehende Beratung sprechen Sie uns gerne an!