Die Pandemie hat die Anwerbung von Pflegekräften aus dem Ausland immer wieder vor Herausforderungen gestellt. Sprachprüfungen und -kurse mussten ausfallen, Reisen waren zeitweise nicht möglich und Behörden mit anderen Dingen als der Ausstellung von Visa oder der Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse beschäftigt. Dennoch ist das Interesse an der Arbeitsmigration nach Deutschland ungebrochen und langsam geht es auch wieder voran. Mit einem kompetenten Partner wie Context YELLOWS an der Seite kann die Rekrutierung und Integration auch in Zeiten wie diesen gelingen, weiß Geschäftsführerin Olivia Prauss.
Wir vermitteln auch Pflegekräfte aus Tunesien, Vietnam und der Mongolei, aber eben auch aus China. Meine Begeisterung für das Land entstand schon im Jugendalter. Damals habe ich Kung Fu und erste Sprachkurse in Chinesisch gemacht. Dann ein Studium der Sinologie mit Auslandssemester in China, Praktika zum Beispiel beim Goethe-Institut in Shanghai, und ein Aufenthalt bei einer Gastfamilie auf dem Land. Ich habe für Chines*innen Deutsch als Fremdsprache unterrichtet und über vier Jahre für die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) vor Ort gearbeitet. Meine umfangreiche Erfahrung in der interkulturellen Zusammenarbeit bringe ich jetzt im Zusammenhang mit dem Pflegenotstand hier in Deutschland ein.
In China sind neben den „klassischen“ Krankenhausstrukturen weitere Versorgungsformen in der Erprobung und Entwicklung. Vieles wird allerdings weiterhin in der Familie geklärt. Nach vielen Jahren der Ein-Kind-Politik können die Senior*innen immer seltener zu Hause gepflegt werden. Familien ziehen in die Städte, leben in kleinen Wohnungen mit immer teureren Mieten. Angesichts dieser Umstände kann ein junges Paar nicht unbedingt die Eltern und die Schwiegereltern bei sich aufnehmen. Auch gibt es immer mehr Senior*innen, die ihren Kindern nicht zur Last fallen wollen. Also werden mehr Pflegeheime gebaut, für die es Fachwissen und gute Ausbildungskonzepte braucht. Viele junge Chines*innen haben großes Interesse an einer hochwertigen Berufsqualifikation und Arbeitserfahrungen im Ausland kombiniert mit einer großen Neugierde und Freude Europa zu entdecken.
Unsere Partner in China schlagen uns Bewerber*innen vor. Ich treffe eine Vorauswahl und lerne sie über Zoom oder Wechat (ähnlich wie WhatsApp) kennen. Ab dem Zeitpunkt sind wir in regelmäßigem Kontakt und ich biete auch kleine Konversations-Kurse für die Bewerber*innen an. Unsere Zielgruppe sind vor allem junge Leute zwischen 20 und 30, die schon eine Pflegeausbildung und Pflegeerfahrung haben. In der Regel durchlaufen sie dann in Deutschland in eine Anpassungsqualifizierung (Vorbereitung auf die Fachkenntnisprüfung oder Anpassungslehrgang) und nehmen danach die Arbeit als Pflegefachkraft beim Arbeitgeber auf. Deutschkenntnisse auf B1-Niveau sind Voraussetzung für das Visum, die bringen sie also mit. Sie nehmen in China auch schon an einem B2-Kurs teil, allerdings ist es seit Corona sehr schwierig Prüfungstermine beim Goethe-Institut zu bekommen. Die Prüfungstermine werden immer wieder verschoben oder abgesagt, da muss man dann etwas Geduld und Flexibilität mitbringen. Teilweise fahren die Pflegekräfte dann 10 Stunden Zug oder fliegen zum nächsten Prüfungsort. Da nehmen sie einiges auf sich. In jedem Fall muss bis zur Anerkennung der Pflegeausbildung weiter gelernt und das B2-Niveau final erreicht werden. Und da sollte es im Sinne des lebenslangen Lernens nicht enden, sondern auch nach der Anerkennung beständig weiter gelernt und gefördert werden. Gerade in der Pflege ist das Vokabular komplex und die Begriffe müssen sitzen, sonst kann es schnell gefährlich werden. Dazu beraten wir die Unternehmen gerne.
Unsere Besonderheit ist, dass wir schon lange mit China und der chinesischen Kultur zu tun haben. Wenn wir wissen, dass Integrationsleistungen wie interkulturelle Trainings mit den Pflegeteams gefragt sind, begleiten wir sehr gerne und machen entsprechend ein Angebot. Dank meiner chinesischen Sprachkenntnisse kann ich auch als Integrationscoach fungieren und die Fachkräfte hier in allen Belangen betreuen. Wichtig ist vorher ein gutes Briefing: Was kommt auf die Bewerber*innen zu? Wie ist die Vergütung, wie sind die Arbeitszeiten? Wer ist Integrationscoach vor Ort? Wie lautet der Zeitplan, in welcher Dimension soll sich das Projekt bewegen? Es ist für die Bewerber*innen sehr wichtig, sich ein gutes Bild darüber zu machen, wie und wo sie arbeiten werden. Da sind wir auch auf eine gute Kooperation mit den Arbeitgebern angewiesen. Nur so kann die Absprungrate gering gehalten werden. Meine Empfehlung lautet, gleichzeitig mehrere Fachkräfte aus einem Land in die Einrichtung zu holen, weil sie sich dann untereinander helfen können und sich vor allem anfangs nicht so einsam fühlen.
Die Kommunikation in China ist nicht so direkt wie bei uns. Was man hier offen sagt, kann dort beleidigend wirken. Im Gespräch reagiert das Gegenüber dann oft anders als erwartet. Zum Beispiel lächelt oder nickt es, wenn es kritisiert wurde. Das Bauchgefühl sagt einem dann meistens: „Irgendwas läuft hier gerade in die falsche Richtung“. Auf solche kommunikativen Missverständnisse muss man die Mitarbeiterschaft vorbereiten.
Chines*innen haben einen großen Respekt vor älteren Menschen. Das kann im Pflegealltag manchmal hinderlich sein. Ihr respektvoller Umgang mit den Senior*innen ist zwar sehr schön, aber wenn sich jemand weigert, lebensnotwendige Medikamente zu nehmen, fällt es der chinesischen Fachkraft schwer, sich durchzusetzen.
Auch Hierarchie ist ein Thema. In Deutschland haben wir eine flachere Hierarchie. Chinesische Pflegekräfte sind aber eine strenge Hierarchie gewohnt. Sie trauen sich nicht, Fragen zu stellen, sie suchen sich oft nicht selbst Aufgaben. Das ist kein böser Wille, sie sind es einfach nicht anders gewohnt.
Diese Themen sind nicht unüberwindbar, sondern es bedarf einer guten Kommunikation und Offenheit auf beiden Seiten. Wir unterstützen gerne dabei mehr Verständnis zu schaffen und Brücken zwischen dem Arbeitgeber und den Pflegekräften zu bauen.
Interview: Maja Schäfer