In Würde gesundheitlich eingeschränkt sein und altern wollen wir alle. Bloß: Wie kann das angesichts der aktuellen Umstände gelingen? Niedrige Renten, teure Pflege, dazu noch Fachkräftemangel. Alt sein, krank sein, gebären – es ist auch nicht mehr das, was es nie war.
Die Bereitstellung einer flächendeckenden, inklusiven Pflege gestaltet sich bereits heute als schwierig. Der Protest bleibt erstaunlich leise. Insbesondere Babyboomer, die diese Pflegekrise als erstes treffen würde, halten ihre Füße ziemlich still. Dabei sind die Prognosen düster: 500.000 Pflegekräfte fehlen bis 2030, manche Medien sprechen gar von 690.000.
Ohne Pflegekräfte aus dem Ausland wäre die Pflegesituation noch katastrophaler. Seit Jahren steigt die Zahl der Pflegekräfte aus dem Ausland. Berichten zufolge handelt es sich bei mindestens jeder 6. Pflegekraft um eine Person mit Migrationshintergrund. So kann der Personalschlüssel vorerst aufgefangen werden. Zugleich kann das nicht die einzige Lösung sein, damit Menschen in Deutschland eine gute Pflege erhalten können.
Damit sind ALLE Menschen gemeint, und wir sind sehr divers. Oft geht dieser Aspekt in der Diskussion unter. Eine gute Pflege bedeutet somit auch eine inklusive Pflege.
Nur wenn Pflege genug Ressourcen hat, kann sie für Menschen zugänglich und würdevoll sein. Um das zu gewährleisten, wünschen wir uns fünf Dinge.
Kultursensible Pflege
Deutschland ist ein Einwanderungsland. Die Menschen, die hier leben, krank werden, altern, gebären, Pflege brauchen, kommen von überall her. Es gibt einige Studien, dass Menschen aus unterschiedlichen Kulturkreisen Schmerz und Leid auf unterschiedliche Art und Weise (er)leben. Kulturelle Sensibilität ist daher ein Muss, um die Diversität in der Gesellschaft auch in der Pflege abzubilden.
Interkulturelle Pflege
Die Verständigung zwischen den Kulturen muss sich sowohl bei Pflege- und Arztpersonal, als auch bei den zu Pflegenden abbilden. In Würde zu altern, muss für alle Akteure einer Gesellschaft möglich sein. Entsprechende Ausbildungs-, Behandlungs- oder Weiterbildungsangebote und zum Teil Häuser existieren bereits. Das sollte ausgebaut und die Kompetenzen mehr in den Berufsalltag der Pfleger*innen integriert werden.
Intersektionale Praxis in der Pflege
Wir begrüßen Initiativen wie Queer Pflege, herkunftsspezifische Pflege wie Hero Berlin oder Pflegedienste für Personen mit intersektionaler Diskriminierungserfahrung. Allzu oft werden diese Bedürfnisse von privatrechtlichen Initiativen aufgefangen. Wir wünschen uns mehr davon in unseren öffentlichen Krankenhäusern, Einrichtungen und Pflegeheimen.
Erschwingliche Pflege
Pflege muss bezahlbar sein. Wie das geht, steht noch in den Sternen. Privatwirtschaftliche Lösungen können keine inklusiven und nachhaltigen Lösungen sein. Es braucht mehr Unterstützung durch die öffentliche Hand, so dass Pflege für so viele Menschen wie möglich erschwinglich werden kann.
Mehr Respekt für Pflegende
Pflege ist ein gesamtgesellschaftliches Unterfangen und braucht vielseitige Unterstützung. Politische Maßnahmen wie die Vereinfachung bürokratischer Prozesse, die Umstellung zur Generalistik oder die Einführung des Pflegefachassistenzeinführungsgesetz sind ein Teil. Ein weiterer Baustein ist die Anerkennung für den Pflegeberuf an sich, z.B. in Form von Vergütung, fairem Umgang und Respekt. Im Fall von ausländischen Pflegekräften beinhaltet das die Vereinfachung der Anerkennung deren ausländischer Ausbildungsabschlüsse. Hallo Bürokratie!
Der wichtigste Aspekt muss von uns allen als Teil dieser Gesellschaft geleistet werden: Ein wertschätzender Umgang mit diesem Beruf. Noch einmal mehr gilt hier der Aufruf, dass die Bedingungen für Pfleger*innen weiter verbessert werden.
Sofern wir und unser Umfeld gesund sind, erleben wir viel zu selten bewusst „die Pflege“ im Alltag. Dabei beeinflusst sie unser Leben mehr, als wir denken. Die Kollegin, die sich voll auf das neue Projekt mit Ihnen konzentrieren kann, weil ihre Partnerin gut im Krankenhaus versorgt wird. Die Mutter des besten Freundes Ihrer Tochter, die wohlbehalten durch ihre zweite Schwangerschaft begleitet wurde. Der Großvater Ihrer Cousine, der nur gebrochen Deutsch spricht und dem es im Pflegeheim gut geht.
Die Potenziale inklusiver Pflege sind massiv. Auch wenn es sich nur um einen Baustein in der aktuellen Pflegedebatte handelt, ist es einer, der die breite Gesellschaft umfasst. Denn eine Person, die nicht der Norm entspricht, kennen wir alle. Auch dieser Mensch hat gute Pflege verdient. Lassen Sie uns das im Blick haben, so dass alle Menschen dieser Gesellschaft eine würdevolle Pflege in Anspruch nehmen können.